Jordanien 2009

Der Lauf zum tiefsten Punkt der Erde

Offiziell heißt er Dead Sea Ultra Marathon. Ultra, weil er länger als ein normaler Marathon ist. Wie lange genau weiß scheinbar niemand, denn offiziell sind es mal 50 km und mal 48,7 km. Jedenfalls ganz schön weit, zumindest wenn man zu Fuß unterwegs ist. Und das sind wir, eine Startergruppe von etwas über 100 Läufern und Läuferinnen. Das Feld der Marathonläufer, die zeitgleich 42,2 km vor dem Ziel starten, ist auch nicht größer. Für die Läufer wurden die beiden rechten Spuren der vierspurigen Autobahn Amman - Amman Beach (Totes Meer) komplett gesperrt. Wir haben also sehr viel Platz. Für arabische Verhältnisse ist alles sehr gut organisiert, wenn es für uns Europäer auch häufig recht chaotisch ausschaut.


Prinz Raad Bin Zeid (links)

vor dem Start
Wir sind pünktlich um 6h00 am Start um dort nach einiger Zeit zu erfahren, dass der Start kurzfristig auf 7h00 verschoben werden muss. In der Dunkelheit ist es sehr kalt und ich kann jedem, der diesen Lauf mitmachen will, nur raten, alte wärmende Kleidung mitzunehmen (kann man nach dem Start einfach liegenlassen; es gibt dankbare Abnehmer). Die Temperatur dürfte bei gefühlten 5°C liegen. Amman liegt immerhin auf einer Höhe von 900 m über N.N. Der Prinz, ein Onkel des zurzeit herrschenden Königs Abdallah II., der diesen Lauf aus der Taufe gehoben hat und der den Startschuss geben wird, hat offensichtlich auch nichts von der Startverschiebung mitbekommen. Aber so haben wir Zeit, uns mit ihm zu unterhalten. Er ist ein sehr volksnaher und sympathischer Mann, der sich auch gerne mit einzelnen Läufergruppen fotografieren lässt. Ich unterhalte mich auch noch ein wenig mit dem Bürgermeister von Amman, der ganz enttäuscht ist, dass wir im Oktober nicht an seinem Stadtmarathon in Amman teilnehmen werden. Aber die Planung für 2009 ist bei den meisten schon lange abgeschlossen.
Nach Sonnenaufgang wird es langsam wärmer und damit auch angenehmer.


letzte Startvorbereitungen

da wollen wir hin
Der Start selbst erfolgt unspektakulär und das Feld zieht sich sehr schnell auseinander. Platzprobleme gibt es wirklich keine. Die ersten ca. 10 km gehen permanent leicht rauf und runter, wobei man die langen Anstiege nicht unterschätzen sollte. Den ersten km-Hinweis (noch 49 km; es ist rückwärts ausgeschildert) erreiche ich nach knapp 5 Minuten. Naja, 1 km war das jedenfalls nicht; höchstens 800 m (siehe oben). Danach scheinen die km-Angaben aber zu stimmen. Das Wetter ist jetzt prima. So könnte es den ganzen Tag bleiben. Ab dies bleibt wohl ein frommer Wunsch.

das Läuferfeld zieht sich

die Hälfte ist geschafft
Bei flottem Lauftempo erreiche ich nach 45 Minuten den Startplatz der Marathoni. Sie sind auch um 7 Uhr auf die Strecke geschickt worden. Sie haben blaue Startnummern, die Ultra-Läufer rote. Jetzt fängt die Strecke an abzufallen. Es kommen lange Bergab-Strecken. Auf diesen bekommt man zwar ein schnelles Tempo drauf aber das Ganze rächt sich später. Meine Muskeln sind zwar das Laufen in der Ebene aber nicht das kilometerlange Laufen bergab gewohnt. Entsprechend reagieren sie. Jedenfalls passiere ich die Hälfte nach 2:23 Stunden und erreiche kurz danach den verwaisten Startplatz der Halbmarathoni mit einer Durchlaufzeit von 2:46 Stunden.


ab hier laufen wir unter Wasser ;-)

lange Passagen bergab
Wenige 100 m später habe ich die ersten 900 Höhenmeter geschafft und bin auf Meereshöhe. Eigentlich wollte ich mich hier mal fotografieren lassen, aber ich bin weit und breit alleine. Auch hinter mir sehe ich niemanden mehr (ich bin aber nicht der Letzte). Also mache ich meine Fotos und trabe weiter bergab. Die Temperatur ist inzwischen auch so angestiegen, dass frieren ein Fremdwort ist. Alle 3 km gibt es Wasser (jeweils Halbliter-Flaschen). Da der Salzverlust groß ist, sollte man etwas Salz mitnehmen; unterwegs gibt's keins. Es geht jetzt weitere 10 km bergab. Es ist ein recht einsamer Lauf und ich denke daran, dass ich am Meer jetzt so langsam mit Schwimmbewegungen anfangen sollte.

Beduinenzelte

noch ca. 15 km
Es ist schon eine beeindruckende Gegend. Nur karge und steile Berge, an denen Beduinen ihre Zelte aufgebaut haben. Selten passiere ich eine Ortschaft. So richtig grün ist eigentlich nichts. Die Aussicht und die herrliche Gegend entschädigen aber total. Links sieht man den Berg Nebo, von dem Moses das Heilige Land erblickt haben soll. Als die Ebene beginnt bin ich auf einer Höhe von etwa 400 m unter dem Meeresspiegel. Jetzt habe ich noch etwa 16 km ebene Straße vor mir. Allerdings beinhaltet diese auch leichte Steigungen. Durch die langen Bergab-Passagen sind die Wadenmuskeln, die dies nicht gewohnt sind, total verhärtet und der Lauf fängt an, anstrengend zu werden. Die Temperatur ist inzwischen auf über 30°C im Schatten, den es aber nicht gibt, angestiegen. Es folgt eine schnurgerade, mehrere km lange Straße. Nicht nur die Wasserstellen sind schon lange vorher zu sehen, ich bemerke auch, dass vor und hinter mir noch weitere Läufer unterwegs sind. Allerdings haben sie auch wie ich zu kämpfen, sodass Überholvorgänge selten werden. Meistens überhole ich Marathonläufer. Sie sind zwar zeitgleich mit uns gestartet, haben aber rund 8 km weniger zu laufen. Aber einige haben sich wohl doch zu viel vorgenommen. Trotzdem ich die letzten km deutlich langsamer geworden bin, habe ich eine Marathonzeit von etwa 4 Stunden. Die angepeilten 5:30 Stunden müsste ich wohl schaffen.

wieder Beduinenzelte

das Tote Meer nähert sich



Nordufer des Toten Meeres

nur noch wenige Meter zum Ziel
Aber diese letzten km am Ufer des Toten Meeres werden nochmal sehr hart. Die Sonne brennt, die Muskeln sind hart und der extrem trockene Wind vom Toten Meer ist auch nicht gerade erfrischend. Inzwischen habe ich auch schon einige Marathoni eingeholt. Das Feld verdichtet sich wieder etwas und man läuft nicht mehr so alleine. Etwa einen km vor dem Ziel sehe ich einen Marathoni am Straßenrand gehen. Ich nehme ihn bei der Hand und wir beschließen, jetzt gemeinsam bis zum Ziel durchzulaufen. Eine weitere gehende Marathonläuferin fangen wir kurze Zeit später auch noch ein. So laufen wir dann Hand in Hand bis ins Ziel, das ich nach 5 Stunden und 10 Minuten erreiche. Ein schöner aber auch anstrengender Lauf ist zu Ende. Die letzten km sowie der Zielbereich sind durch starke Polizeikräfte geschützt (vor wem auch immer). Sie bilden auch die einzigen Zuschauer, sind aber an uns Läufern ziemlich desinteressiert.

im Ziel
Ich freue mich jedenfalls darüber, diesen schönen Lauf relativ problemlos gemeistert zu haben. Die verhärteten Wadenmuskel werden uns allen allerdings die nächsten zwei Tage noch zu schaffen machen, bevor ein ganz normales Laufen und Treppen steigen wieder möglich ist.


im Zielbereich
Im Zielbereich ist die Party in vollem Gange. Während die Ultra- und Marathongruppe nur wenig über 100 und auch die der Halbmarathoni nur knapp 500 Teilnehmer hatte, waren auf dem 10 km-Lauf über 3.000 Läufer bzw. häufig Wanderer unterwegs. Ebenso haben einige hundert Kinder den Lauf über 4,7 km absolviert. Diese genießen die laute Dicso-Musik, für die ich mich nun wirklich nicht begeistern kann. Es gibt ausreichend Verpflegungsstände, wo Essen und Trinken gekauft werden kann. Nachdem es unterwegs nur manchmal Bananen, meistens aber nur Wasser gab, habe ich Hunger.

Strand im Zielbereich

Strand im Zielbereich
Einige nutzen die Gelegenheit auch, um ins Wasser zu gehen. Allerdings sind dies nur wenige. Ertrinken ist ja nahezu unmöglich. Man schwimmt auf dem Wasser wie ein Korken. Nachdem die Duschen unter dem Ansturm der vielen Läufer gelitten haben, verzichte ich darauf und bin froh, als wir gegen 14h Richtung Hotel fahren. Das Mövenpick Hotel liegt nur etwa 2 km vom Ziel entfernt. Wir sind vorher daran vorbeigelaufen. Hier erwarten uns sehr schöne und saubere Zimmer und wir genießen die Ruhe der Anlage.