Zuerst: alle Titel sind richtig. Warum? kommt später; zuerst mal der Reihe nach.
Pauillac im Departement Aquitaine, Region Gironde ist die inoffizielle Hauptstadt des Médoc. Das Gebiet am Ufer der Gironde ist ja nicht gerade für Kälte bekannt. Aus diesem Grund absolvierte ich bereits am Dienstag und Mittwoch um die Mittagszeit bei weit über 30°C zwei lange Trainingsläufe. Ich wollte mich an das heiße Klima gewöhnen. Ich hätte es auch sein lassen können.
Freitag, 05.09.2003
Am Freitag ging's dann los. Bereits beim Abholen der Startunterlagen kam schon so was wie Faschingsstimmung auf. Na ja, die meisten Läufer laufen ja eh verkleidet. Bei den in Pauillac aufgebauten Ständen konnte man dann schon mal das breite Repertoire der Médoc-Weine kennenlernen. Abends startete dann die große Pasta-Party unter der herrlichen Kulisse des Schlosses Phélan-Ségur in St. Estèphe, etwa 10 km nördlich Pauillac. Das Ganze fand in einem großen Zelt statt und war hervorragend organisiert. Das Essen (es gab mehrere Gänge) wurde tischweise in Schüsseln bereitgestellt und der Wein kam flaschenweise. Von allem mehr als ausreichend. Entsprechend war die Stimmung. Die Gruppe aus Köln, die den Carneval Cologne vertrat, muss sich wie zuhause vorgekommen sein. Aber irgendwann siegte dann doch der restliche Teil der Vernunft; am nächsten Tage standen immerhin 42,195 km an.
Samstag, 06.09.2003
Der Samstag Morgen vor dem Start war Fasching pur. Das Wetter war schon bei Sonnenaufgang bei 15°C gewesen und Wolken gab es (noch) keine. Die zumeist verkleideten Läufer und -Gruppen warteten ungeduldig auf den Start, der dann pünktlich um 9h30 erfolgte. Auf uns warteten nun 52 Musikgruppen, 22 Verpflegungsstationen und viele Schlossbesichtigungen mit Weinprobe (über 21!). Für Abwechslung war also gesorgt. Die erste Weinverkostung gab es übrigens bereits etwa 800 m nach dem Start; es war die einzige, die ich ausgelassen habe :-)
Die nächsten 8 km waren normaler Marathon, allerdings durch eine tolle Landschaft bei prima Wetter und gemäßigtem Tempo (so etwa 6min30/km). Aber nicht umsonst steht auf der Homepage der Veranstalter, dass man, wenn man persönliche Bestzeit laufen will, am besten zuhause bleibt. Bei km 9 gab's dann die erste Weinverkostung in einem sehr schönen Schloss (Ducru-Beaucaillou). 'Revitaillements', bestehend aus Wasser, getrockneten Früchte, Rosinen, Kuchen, Bananen, usw. gab's häufig; deutlich häufiger als bei 'normalen' Marathons. Nun ja, Wein trinkt man nicht im Dauerlauf und schon gar nicht, wenn er in Gläsern serviert wird. Diese wirft man auch nicht weg, sondern gibt sie wieder dort ab, wo man sie erhalten hat (eine weitere vorherige Füllung und Leerung ist problemlos). Bei den Weinverkostungsstellen spielten häufig auch prima Bands, sodass Tanzeinlagen der Läufer üblich waren. Die Stimmung war eher ein Faschingsumzug denn ein Marathonlauf. Leider setzte dann nach etwa 20 km ein ordentlicher Landregen ein, der dann auch gut eine Stunde anhielt. Gleichzeitig wurde es ziemlich kalt (deutlich unter 20°C). Aber die Kälte konnte durch entsprechenden Wein gut kompensiert werden. Später hörte der Regen wieder auf und die Weinverkostungen wurden dadurch gleich wieder angenehmer. Bei km 38 wurde dann der Endspurt eingeleitet. An dieser Verpflegungsstation gab es die sehr guten Médoc-Austern. Da dazu kein Rotwein passt, wurde ausschließlich Weisswein serviert. Na ja, nach fast einem Dutzend dieser Meerestiere und entsprechendem Wein verließ ich diesen gastlichen Ort nach etwa 20 Minuten wieder. In etwa einem km entfernt aufsteigender Rauch zeigte mir: hier wird unser 2. Gang gegrillt. Zu dem Entrecôte gab's dann auch wieder den gewohnten Rotwein. Den Schluss unseres 3-Gänge-Menüs gab's dann bei km 41 mit gutem Käse und Weisswein (oder Rosé oder Rotwein; ich habe sie alle probiert). Obwohl schon viele den Marathon in eine Wanderung umgewandelt hatten, lief ich noch mal so richtig durch (fast; den bei einigen Bands an der Straße war die Stimmung so gut, dass ich doch anhielt und zumindest ein paar Fotos machte).
Im Ziel gab's dann neben der üblichen Medaille für jeden noch einen Rucksack, eine Flasche Wein und ein paar sonst nützliche Sachen. Im Verpflegungszelt war dann für alle Teilnehmer dann noch mal das Ganze Repertoire von unterwegs gebündelt, allerdings nur noch Rotwein.
Nach Duschen und Umziehen auf dem Campingplatz ging's dann wieder nach Pauillac. Die Stimmung war natürlich wieder prima und ausgelassen. Bei inzwischen wieder wolkenlosem Himmel fand dann um 23h noch ein großes Abschlussfeuerwerk über der Gironde statt.
Sonntag, 07.09.2003
Aber damit war die Veranstaltung noch nicht beendet. Am Sonntag gab's dann eine etwa 10km lange Wanderung duch die Weinberge rund um St. Estèphe. Die Verpflegung unterwegs entsprach der des Marathons. Etwa 4000 Teilnehmer zogen wie ein bunter Haufen durch die Weinberge, leider bei recht durchwachsenem Wetter. Um 13h wurde dann ein Mittagessen im großen Zelt angeboten. Auch hier waren Verpflegung, Stimmung und Weinverbrauch Spitze. Nachdem nicht nur die auf den Tischen bereitgestellten Weinflaschen sondern auch die 4 zur Wiederauffüllung der Flaschen bereitgestellten Fässer (à 225 l) leer waren, ging die Veranstaltung zu Ende. Endlich hatte auch der Wettergott ein Einsehen, sodass die Party am Schluss nicht nur im Zelt, sondern auch auf der großen Wiese davor stattfand.
Ach ja, die Zeit wurde mit Chip gemessen. Aber wen interessierte schon, dass ich mit 5h53 im mittleren Drittel des Feldes das Ziel erreichte?
Resümee: Médoc ist ein Marathon für Anfänger, da Laufzeiten nachrangig sind. Verpflegung und Stimmung sind absolut top. Längster Marathon der Welt? Klar, den bei so viel Abwechslung an der Straße kommen garantiert mehr als 42,195 km zusammen. Eine Ideallinie ist erst gar nicht markiert. Und für uns gilt: Médoc - nous reviendrons!
Bilder habe ich unterwegs auch einige gemacht (so um die hundert). Die besten davon gibt's aufbereitet in einer
Bilder-Galerie.